Nach Beendigung eines Handelsvertretervertrages kann dem Handelsvertreter (und unter bestimmten Voraussetzungen auch dem Vertragshändler) ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB zustehen.
Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB soll dafür einen Wertausgleich schaffen, dass das Unternehmen den Kundenstamm, der vom Handelsvertreter aufgebaut wurde, auch nach Beendigung des Handelsvertretervertrags weiter wirtschaftlich nutzen kann. Für Geschäfte, die nach Beendigung des Handelsvertretervertrags geschlossen werden, hat der Handelsvertreter (mit bestimmten Ausnahmen - dazu unten) keinen Provisionsanspruch mehr.
Die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Ausgleichsanspruchs ist bei der Beendigung von Handelsvertreter- oder Vertragshändlerverträgen regelmäßig der zentrale und finanziell bedeutende Streitpunkt zwischen den Parteien.
Das Bestehen des Ausgleichsanspruchs ist an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft. Mehr über den Ausgleichsanspruch, die Voraussetzungen, die Ausschlussgründe und die Berechnung des Anspruchs erfahren Sie in diesem Beitrag.
Übersicht
Zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmen besteht ein Handelsvertretervertrag, der die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien regelt. Im Übrigen ergeben sich die Rechte und Pflichten des Handelsvertreters und des Unternehmens aus den §§ 84 ff. HGB.
Mehr zu den Rechten und Pflichten des Handelsvertreters erfahren Sie in unserem Beitrag zum Thema.
Das Vertragsverhältnis zwischen Handelsvertreter und Unternehmer endet entweder durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung (§§ 89, 89a HGB), durch Zeitablauf bei befristeten Verträgen, durch Tod des Handelsvertreters, durch Insolvenz des Unternehmens oder durch einen Aufhebungsvertrag im gegenseitigen Einvernehmen.
Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses hat der Handelsvertreter grundsätzlich keinen Anspruch mehr auf die vertraglich vereinbarte Provision. Eine Ausnahme dazu ist die sog. Überhangprovision (§ 87 I HGB) für Geschäfte, die vor Vertragsende abgeschlossen, aber erst nach Vertragsende ausgeführt werden. Eine weitere Ausnahme stellen die in § 87 III HGB gesetzlich geregelten Fälle der nachvertraglichen Provisionsansprüche dar.
Darüber hinaus kann der Handelsvertreter keine Provisionsansprüche geltend machen, selbst wenn die von ihm angeworbenen Kunden oder der von ihm aufgebaute Kundenstamm noch zu Folgeaufträgen, Nachbestellungen oder weiteren Aufträgen für das Unternehmen führen.
Um einen Wertausgleich zwischen dem Unternehmen und dem Handelsvertreter herbeizuführen, hat der Gesetzgeber daher den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB geschaffen.
Unser Beitrag erläutert Ihnen alles Wichtige zum Thema Kündigung des Handelsvertretervertrags.
Der Handelsvertreter wirkt bei der Schaffung und Pflege eines Kundenstamms für das Unternehmen mit. Das Vertragsverhältnis entsteht jedoch zwischen dem Kunden und dem Unternehmen, so dass der Handelsvertreter lediglich für die Anbahnung und den Geschäftsabschluss eine Provision erhält.
Wird der Handelsvertretervertrag beendet, verbleibt der Kundenstamm beim Unternehmen, da die Kunden nicht dem Handelsvertreter, sondern dem Unternehmen gehören. Das Unternehmen kann also weiterhin den wirtschaftlichen Nutzen daraus ziehen.
Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB dient dem Wertausgleich zwischen dem Unternehmen und dem Handelsvertreter. Im Ergebnis sollen dem Unternehmer keine Vorteile verbleiben, die nicht vergütet worden sind, so dass der Ausgleichsanspruch die Gegenleistung hierfür darstellt.
Damit der Handelsvertreter einen Ausgleichsanspruch gegen seinen ehemaligen Vertragspartner hat, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:
Der Handelsvertretervertrag bzw. das Vertragsverhältnis muss beendet sein. In Betracht kommen zum Beispiel die Beendigung durch Kündigung oder durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags, durch Ablauf der Befristung des Handelsvertretervertrags oder durch den Tod des Handelsvertreters. Im Fall einer Kündigung kann der Ausgleichsanspruch bei Vorliegen der Gründe des § 89b Abs. 3 HGB ausgeschlossen sein. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags, die Vertragsbeendigung durch Ablauf der Befristung oder der Tod des Handelsvertreters lassen den Ausgleichsanspruch hingegen nicht entfallen.
Das Unternehmen muss nach Beendigung des Vertragsverhältnisses noch erhebliche Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden ziehen. Damit sind jedoch grundsätzlich nur die Vorteile gemeint, die das Unternehmen aus "neuen" Kunden ziehen kann.
Neue Kunden sind dabei nur solche Kunden, die durch die Tätigkeit des Handelsvertreters angeworben wurden und deren Erstabschluss der Handelsvertreter zumindest mitursächlich herbeigeführt hat.
Gleiches gilt für „Altkunden“ (intensivierte Altkunden), die der Handelsvertreter zwar zu Beginn seiner Tätigkeit übernommen hat, mit denen er aber die Geschäftsbeziehungen erheblich ausgeweitet hat (z. B. Verdoppelung des Umsatzes) und diese wirtschaftlich der Werbung eines Neukunden entspricht (§ 89b Abs. 1 S. 2 HGB).
Der Vorteil, den das Unternehmen daraus ziehen kann, liegt in der Aussicht, mit diesen Kunden und deren Aufträgen den Unternehmensgewinn zu steigern, oder in der Chance, weitere Geschäfte abzuschließen.
Der Ausgleichsanspruch muss zudem der Billigkeit entsprechen (sog. Billigkeitsprüfung). Dies bedeutet, dass der Ausgleich nur unter Berücksichtigung aller Umstände gezahlt werden kann. Insbesondere ist zu berücksichtigen, in welcher Höhe dem Handelsvertreter hypothetisch Provisionen aus Geschäften mit seinen Kunden entgangen wären. Die zu berücksichtigenden Abwägungsgesichtspunkte und die besonderen Umstände sind einzelfallabhängig und müssen sorgfältig erfasst und abgewogen werden.
Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB kann nur geltend gemacht werden, wenn kein Ausschlussgrund nach § 89b Abs. 3 HGB vorliegt. Die Ausschlussgründe des § 89b Abs. 3 HGB sind abschließend und eng auszulegen:
Besonders wichtig ist: Der Ausgleichsanspruch muss innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses mündlich oder schriftlich geltend gemacht werden (§ 89b Abs. 4 Satz 2 HGB). Versäumt der Handelsvertreter diese Ausschlussfrist, erlischt der Ausgleichsanspruch.
Ein bestimmte Form ist für die Geltendmachung nicht vorgeschrieben, aus Beweisgründen sollte die Geltendmachung immer in Textform erfolgen und der Zugang dokumentiert werden.
Die sofortige Einreichung einer Ausgleichsklage ist nicht erforderlich. Ist die Geltendmachung erfolgt, verjährt der Ausgleichsanspruch innerhalb der dreijährigen Regelverjährung.
Bei Beendigung des Handelsvertretervertrags muss unter anderem sorgfältig geprüft werden, welche unbezahlten oder noch entstehenden Provisionsansprüche (in Form von Überhangprovisionen und nachvertraglichen Provisionen) und welcher Ausgleichsanspruch besteht.
Der Handelsvertreter hat gegenüber dem Unternehmen einen Anspruch auf Buchauszug (§ 87c Abs. 2 HGB) und kann vom Unternehmer Auskunft über alle Vorgänge verlangen, die für die Berechnung seiner Ansprüche relevant sind.
Zur Hemmung der Verjährung der Ansprüche empfiehlt sich regelmäßig die Erhebung der Klage auf Erteilung des Buchauszugs in Form einer sog. Stufenklage. Bei dieser wird auf der ersten Stufe die Erteilung des Buchauszugs und auf der zweiten Stufe Zahlung (noch unbeziffert) gefordert.
Der Ausgleichsanspruch steht grundsätzlich dem Handelsvertreter zu. Endet das Handelsvertreterverhältnis durch den Tod des Handelsvertreters, so geht der Ausgleichsanspruch auf dessen Erben über.
Auch Vertragshändler können unter bestimmten Voraussetzungen einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB analog geltend machen.
Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs erfolgt in zwei Schritten. Zuerst wird der Rohausgleich berechnet und in einem zweiten Schritt der Höchstausgleich.
Der Rohausgleich berücksichtigt die Abschluss- und Vermittlungsprovisionen der letzten 12 Monate vor Beendigung der Tätigkeit für Neukunden und intensivierte Altkunden. Davon sind Abzugspositionen wie ersparte Kosten (z.B. Lagerhaltung, Verwaltung oder insolvente Kunden) abzuziehen.
Anschließend ist im Rahmen einer Schätzung (§ 287 ZPO) ein Prognosezeitraum festzulegen, wie lange noch mit Provisionen aus den vom Handelsvertreter vermittelten Geschäften zu rechnen ist. Dabei wird in der Rechtsprechung oftmals die Vermutung zugrunde gelegt, dass die vom Handelsvertreter hergestellte Geschäftsbeziehung zwischen dem Kunden und dem Unternehmen auch nach Beendigung des Handelsvertretervertrags bestehen bleibt. Der Prognosezeitraum beträgt in der Regel 3 bis 5 Jahre, wobei es jedoch maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls zum Zeitpunkt der Beendigung des Handelsvertretervertrags ankommt.
Für den Prognosezeitraum ist ab dem zweiten Jahr die Abwanderung und Fluktuation von Kunden mit jährlich 10 bis 20 Prozent zu berücksichtigen.
Korrekturen können sich aus den bei der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigenden Faktoren und aus der sog. Abzinsung ergeben. Durch die Abzinsung wird berücksichtigt, dass der Ausgleichsanspruch dem Handelsvertreter für mehrere Jahre in einer Summe zufließt und nicht wie bei Provisionen über einen längeren Zeitraum verteilt wird.
Werden all diese Zwischenschritte berücksichtigt, ergibt sich der Rohausgleich.
Der Gesetzgeber hat in § 89b Abs. 2 HGB einen Höchstbetrag für den Ausgleichsanspruch festgelegt. Dieser Höchstausgleich entspricht dem Durchschnitt der Jahresprovisionen oder sonstigen Jahresvergütungen innerhalb der letzten 5 Jahre der Tätigkeit als Handelsvertreter.
Übersteigt der Rohausgleich diesen Betrag, ist der Ausgleichsanspruch auf den Höchstbetrag nach § 89b Abs. 2 HGB zu kürzen. Liegt der berechnete Rohausgleich unter dem Höchstbetrag, entspricht der Rohausgleich dem Ausgleichsanspruch.
Die vertraglichen Regelungsmöglichkeiten für Unternehmen in Bezug auf den Ausgleichsanspruch sind limitiert. Nach § 89b Abs. 4 S. 1 HGB kann der Ausgleichsanspruch nicht im Voraus ausgeschlossen werden. Die wirksame Regelung über einen (Teil-)Verzicht kann erst nach Beendigung des Handelsvertretervertrags oder in der Aufhebungsvereinbarung, d.h. nach bzw. mit Entstehung des Ausgleichsanspruchs getroffen werden. Vertragliche Beschränkungen des Ausgleichsanspruchs vor dessen Entstehung sind unwirksam. Dies gilt auch für Regelungen, die die Fälligkeit des Anspruchs auf einen Termin nach Beendigung des Handelsvertretervertrags verlegen.
Der Ausgleichsanspruch ermöglicht es dem Handelsvertreter, nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche geltend zu machen, um über den Provisionsanspruch hinausgehende Leistungen zu vergüten und Vorteile aus der weiteren Geschäftsverbindung zwischen dem Unternehmer und dem vom Handelsvertreter geworbenen Kundenstamm abzuschöpfen, auch wenn dem Handelsvertreter keine Provision mehr zusteht.
Der Ausgleichsanspruch soll die Bemühungen des Handelsvertreters bei der Schaffung und Pflege des Kundenstamms honorieren und sicherstellen, dass das Unternehmen nach Beendigung des Handelsvertretervertrags keine unentgeltlichen Vorteile daraus zieht.
Das Vertragsverhältnis muss beendet sein, das Unternehmen muss aus dem Kundenstamm erhebliche Vorteile ziehen können und die Zahlung des Ausgleichs muss der Billigkeit entsprechen.
Das Vertragsverhältnis kann durch ordentliche/außerordentliche Kündigung, Zeitablauf, Tod des Handelsvertreters, Insolvenz des Unternehmens oder Aufhebungsvertrag enden.
Ausschlussgründe sind die Eigenkündigung des Handelsvertreters – ohne dass ein Verhalten des Unternehmens für diese Kündigung begründeten Anlass gegeben hat oder dem Handelsvertreter die Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann. Weitere Ausschlussgründe sind die Kündigung durch das Unternehmen aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters oder die Vereinbarung des Eintritts eines Dritten in den Handelsvertretervertrag.
Der Ausgleichsanspruch verfällt, wenn er nicht innerhalb eines Jahres nach Vertragsende vom Handelsvertreter gegenüber dem Unternehmen geltend gemacht wird.
Ein Ausgleichsanspruch kann entstehen, wenn der Unternehmer nach Beendigung der Geschäftsbeziehung noch vom Kundenstamm des Handelsvertreters erheblich profitiert. Die Voraussetzungen ergeben sich aus § 89b HGB.
Die Berechnung erfolgt in zwei Stufen: Der Rohausgleich berücksichtigt die Abschluss- und Vermittlungsprovisionen der letzten 12 Monate und den hypothetischen Provisionsanspruch für den geschätzten Zeitraum, für den noch mit Provisionen aus den vom Handelsvertreter vermittelten Geschäften zu rechnen ist. In einem zweiten Schritt wird der gesetzliche Höchstausgleich berechnet, der dem Durchschnitt der Jahresprovisionen der letzten 5 Jahre entspricht. Der Höchstausgleich begrenzt den errechneten Rohausgleich, falls dieser höher ausfallen sollte.
Nach § 89b Abs. 4 S. 1 HGB kann der Ausgleichsanspruch nicht im Voraus ausgeschlossen werden.